Oft werde ich als „Mutmacherin“ bezeichnet. Deshalb fragen mich nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten viele: Wie lässt sich angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen unserer Zeit dennoch Zuversicht bewahren? – Ich meine: Hoffnung beginnt damit, dass wir uns unseren Ängsten stellen!
Die Wahl von Donald Trump war zu befürchten. Doch nun ist das Befürchtete tatsächlich eingetroffen, und ich fühle mich ratlos und voll Trauer. Ich denke an die vielen Menschen, für die diese Wahl katastrophale Folgen haben wird. Und schaue voll Sorge und Schmerz auf unseren bedrohten Planeten. Zuversicht liegt mir gerade fern!
Um so drängender stellt sich mir die Frage: Wie kann ich die politischen Entwicklungen unserer Zeit aushalten, ohne zu resignieren oder zynisch zu werden? Wie lassen sich Hoffnung und Zuversicht bewahren oder wiederfinden, ohne blind und blauäugig zu sein?
Hoffen lernen heißt, Illusionen zu verlieren
Zuversicht ist alles andere als ein naiver Optimismus, der einfach nicht so genau hinschaut. Vielmehr gehört zur Zuversicht, dass ich meine Augen öffne. Dass ich die bedrängende Situation in Blick nehme und unter ihr leide. Denn jede positive Veränderung beginnt damit, die Realität nüchtern wahrzunehmen. Und das heißt auch, die Gefühle von Hilflosigkeit, Resignation oder Angst mutig zuzulassen.
Hoffen lernen heißt daher immer auch, Illusionen zuverlieren: Illusionen über sich selbst; über den Menschen. Und auch über Gott. Kein Gott bewahrt vor Ungerechtigkeit und Gewalt, vor Angst und Unterdrückung. Zuversicht ist kein strahlendes Halleluja in C-Dur! Vielmehr schwingt in ihr ein Mollklang mit – eine Tonalität, die unbekümmerten Optimisten fremd ist.
Hoffen heißt: Ich akzeptiere die bedrängende Situation, ohne mich dauerhaft von ihr entmutigen zu lassen. Zuversicht bedeutet: Ich erkenne den Ernst der Lage und nutze zugleich die Spielräume, die sich auftun.
Und wenn ich Zuversicht und Hoffnung verloren habe?
Angst bekommen wir von alleine. Für Zuversicht müssen wir etwas tun. Drei Gedanken sind mir in diesen Tagen wichtig:
Erstens: Ich will mich meinen dunklen Gefühlen wie Ohnmacht, Trauer und Angst stellen. Mit anderen darüber sprechen. Sie ins Gebet nehmen. Denn wenn ich diese Empfindungen verdränge, sind sie ja trotzdem noch da. Aber sie würden sich dann unkontrolliert ihren Weg suchen – so ähnlich wie Wasser, das sich auf zerstörerische Weise seine Bahn bricht. Doch in dem Maß, in dem ich diese bedrängenden Gefühle zulasse, werde ich irgendwann auch wieder fähig, positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln und daran mitzuwirken.
Zweitens: Ich will die Redewendung beherzigen, die von „Hoffnung wecken“ spricht. Diese Formulierung deutet an, dass unter aller Angst eine Hoffnung schlummert. Und dass sie geweckt werden kann – vielleicht durch eine Begegnung, einen Sonnenstrahl an grauen Tagen, einen vertrauten Song …
Zuversicht stärken beginnt also damit, gerade in Krisenzeiten den positiven Seiten des Lebens eine besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Denn dies stärkt Vertrauen und Zuversicht.
Mir persönlich hilft, ein biblisches Vertrauensworte in meine Unruhe hineinzusprechen. Beispielsweise: „Du bist mein Licht.“ (Psalm 27,1) Wiederhole ich einen solchen Satz in einem ruhigen Rhythmus, kann dies eine entsprechende Saite in mir zum Schwingen bringen. Das bedeutet nicht, dass die Angst mit einem Mal verstummt. Wohl aber kommen andere, hellere Töne auch zum Klingen – und das verändert die innere Stimmung.
Und drittens: Einsamkeit schwächt Hoffnung und raubt Zuversicht. Menschliche Nähe und Verbundenheit aber wirken wie ein Anti-Resignativum. Und deswegen scheint es mir so wichtig, auf andere Menschen zuzugehen, sie anzurufen, einander nahe zu sein. Gerade jetzt will ich zeigen:
Du bist nicht allein. Es gibt viele, die die Welt ein Stückchen heller machen wollen. Wir sind viele.
Da kann man nichts machen, ist der gottloseste aller Sätze (Dorothee Sölle)
Nach Theodor Adorno liegt die fast unlösbare Aufgabe darin, sich weder von der Macht der anderen noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen. Auch wenn Donald Trump zu den mächtigsten Männern der Welt gehört: Er ist nicht Gott – selbst wenn er sich bisweilen so aufführt. Ich glaube an einen Gott, der mich ermutigt, an meinem Platz konkret zu leben, was Jesus vorgelebt hat: Solidarität, Mitgefühl und Gewaltfreiheit.
Lesetipp:
Krieg, Krankheit, Umweltzerstörung und Ungerechtigkeit – viele fühlen sich ohnmächtig angesichts dieser Ereignisse.
Das Buch „Nimm der Ohnmacht ihre Macht“ beschreibt sieben Grundhaltungen, die uns helfen, der Ohnmacht ihre Macht zu nehmen und die Kraft zu entdecken, die in uns wohnt. Für ein zufriedenes und stabileres Leben.
Journal-Beiträge
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