Selbstvertrauen

In dir steckt mehr, als du dir zutraust

Warum wir uns nicht kleinmachen müssen

»Dafür bin ich zu alt. Ich habe zwei linke Hände. Ich kann mich von ihm nicht trennen. Dazu habe ich nicht die Ausdauer. Ich kann mich beruflich nicht verändern …« – Manchmal richten wir uns ein in einer Unfreiheit, die uns Tag für Tag klein beigeben lässt – anstatt dass wir aktiv überprüfen, ob das, was wir glauben, auch zutrifft.

„Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. Nichts täte ich lieber, als meinen Sohn und seine Familie zu besuchen. Aber ich kann nicht allein nach Kanada fliegen!“ Mit trauriger Stimme klagt die Frau ihr Leid und dass sie sich seit Wochen mit der anstehenden Entscheidung quält. Wie kann ich der rüstigen Dame aus ihrer emotionalen Zwickmühle helfen? Mir kommt eine Geschichte des argentinischen Autors und Psychotherapeuten Jorge Bucay in den Sinn.

Ein kleiner Junge liebt den Zirkus. Insbesondere fasziniert ihn der Elefant mit seiner ungeheuren Größe und Kraft. Was ihm jedoch ein Rätsel aufgibt: Jeden Abend wird der Riese an einen kleinen Holzpflock angekettet. Nur eine Handbreit tief ist dieser in den Boden geschlagen. Warum um Himmels willen zieht der Elefant nicht den Pflock heraus, an den er festgebunden ist? Warum versucht er nicht auszureißen?

Da erklärt ihm ein weiser Mann, dass der Elefant, als er klein war, an diesen Holzpflock gekettet worden ist. Er zerrte und zog daran, aber hatte nicht die Kraft, sich zu befreien. Irgendwann fügte er sich in sein Schicksal. Heute reißt er nicht mehr an seiner Kette, weil er glaubt, dass er es nicht kann. Allzu tief hat sich die Erinnerung in sein Gedächtnis eingebrannt, wie ohnmächtig er sich kurz nach seiner Geburt gefühlt hat. Das Fatale: Nie wieder hat er gewagt, diese Erinnerung ernsthaft zu hinterfragen. Dabei müsste der große Elefant sich nur ein einziges Mal trauen, seine Kraft auf die Probe zu stellen – und schon wäre er frei.

Manchmal sind wir wie Zirkuselefanten

Diese traurige und zugleich ermutigende Parabel trifft auch auf manche Bereiche im eigenen Leben zu: Den Kopf voller Pläne, im Herzen viele Träume und mittendrin ein unsichtbares Band, das einen daran hindert, das zu verwirklichen, was man sich wünscht.

In solchen Situationen ähnelt man dem Zirkuselefanten aus der Geschichte: Ich glaube, eine Menge von Dingen nicht zu können – denn schließlich hat es vor Jahren auch nicht geklappt. Oder es ist mir seit Kindertagen eingeredet worden, dass ich das nicht schaffe. Ich habe mich geistig an einen Pflock angebunden. Rede mir negative Gedanken ein wie: Dafür bin ich zu alt. Ich habe zwei linke Hände. Ich kann mich von ihm nicht trennen. Ich bin schwach. Dazu habe ich nicht die Ausdauer. Ich kann mich beruflich nicht verändern…

Wenn wir solchen Botschaften blind glauben, setzen wir uns selbst gefangen. Wir richten uns ein in einer Unfreiheit, die uns Tag für Tag klein beigeben lässt – anstatt dass wir aktiv (!) überprüfen, ob das, was wir glauben, auch zutrifft. Der einzige Weg herauszufinden, ob wir etwas können oder nicht, liegt darin, es auszuprobieren, und zwar mit vollem Einsatz!

Natürlich: Wenn Du kämpfst, kannst Du auch verlieren. Aber wenn Du nicht kämpfst, hast Du schon verloren! Antoine Saint-Exupéry hat die positive Erfahrung, die auch durch ein Scheitern nicht durchgestrichen wird, wunderbar in Worte gefasst: „Ich habe gekämpft, und ich habe verloren. Aber ich habe den Wind gespürt.“

Trau dich Wolfers

Lesetipp:

Warum scheuen wir uns, Entscheidungen zu treffen? Woher kommt es, dass wir so zögerlich oder gar ängstlich sind? Dass wir uns schwertun, etwas zu wagen?

Wie wir mutig werden und uns trauen, das eigene Leben zu leben – darum geht es in diesem Buch.

Der Text ist zitiert aus: Melanie Wolfers, Trau dich, es ist dein Leben. Von der Kunst, mutig zu sein, bene! Verlag 4. Auflage 2020, 167f.

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