Dieser Augenblick ist keine Generalprobe. Er ist dein Leben!

Das Wissen um die Endlichkeit ist ein Weckruf in ein dichtes, intensives Leben hinein. Daher ist es eine deiner besten Entscheidungen, wenn Du das Wissen um deine Sterblichkeit in dein Leben hineinlässt! In diesem Beitrag erfährst Du, wie das gehen kann; warum der Tod nicht der Todfeind des Lebens sein muss, und Du bekommst eine konkrete Übung an die Hand.

„On air“ leuchtet es rot auf. Wir sind auf Sendung. Live! Eine Stunde lang! Mein Puls steigt. Nun gilt es, ganz präsent zu sein. Satz für Satz gut zuzuhören. Die Dinge auf den Punkt zu bringen. Nach und nach verblasst alles andere um mich herum. Nur das Eine ist jetzt wichtig: unser Gespräch!

Selten hat mich ein Radio-Interview so vitalisiert und zufrieden gestellt wie dieses. Die Journalistin erzählt mir, dass Livesendungen oft besser gelingen als Aufzeichnungen. Und sagt beiläufig: „Genau betrachtet ist unser ganzes Leben immer live.“

Wow, dieser Satz sitzt! Natürlich: Im Leben blinkt keine rote Leuchte, die mich daran erinnert, dass es auf das Jetzt ankommt (eigentlich schade). Und doch, jeder Augenblick ist einmalig. Das Leben ist keine Aufzeichnung, die im Nachhinein noch zusammengeschnitten werden kann – und deswegen wecken Entscheidungen Ängste! Das Leben ist immer eine Livesendung – und deswegen ist es gut, wach dabei zu sein!

Leben lässt sich nicht aufschieben

Ehrlich gesagt, es überrascht mich, wie viele Menschen ihr Leben führen, als hätten sie danach noch eins und noch eins. Als ob sie alles, was schiefläuft oder was sie versäumen, beim nächsten Versuch besser machen könnten. Doch Leben lässt sich nicht aufschieben! Entweder wir ergreifen es hier und jetzt – oder lassen es an uns vorübergleiten. Entweder wir verschlafen es – oder sind wach dabei. Aufwecken kann Dich eine tiefe, unter die Haut gehende Einsicht in die Begrenztheit: In die Endlichkeit Deiner Kraft und Lebenszeit. In die Beschränktheit der Mitmenschen, der natürlichen Ressourcen und der Machbarkeit von Dingen.

Die Endlichkeit kommt um viele Ecken daher: ein schmerzlicher Abschied, ein runder Geburtstag, eine Scheidung, eine weitreichende Entscheidung …  Kommt mir die Sterblichkeit des eigenen Lebens wirklich nahe, dann kann ein namenloses Grauen in mir aufsteigen. Die Angst vor dem Tod lässt sich nicht schönreden!

Und doch muss der Tod nicht der Todfeind des Lebens sein! Im Gegenteil, wer wirklich spürt: „Ich habe nur dieses Leben“, der entdeckt dessen Kostbarkeit oft mit einer neuen Klarheit.

Die Einmaligkeit unserer Beziehungen und die Bedeutsamkeit unseres Tuns treten heller zutage. Und dies kann dazu animieren, intensiver zu leben und umsichtiger zu entscheiden.

Übung: Von der Zukunft zurück in die Gegenwart

Eine bekannte spirituelle Übung besteht darin, vom gedachten eigenen Lebensende her auf den jetzigen Augenblick zu schauen:

Ich stelle mir vor, ich befinde mich (in einigen Monaten, Jahren oder Jahrzehnten) am Ende meines Lebens. Von diesem Punkt aus schaue ich zurück auf die jetzige Situation:

  • Was würden ich dem Menschen, der ich heute bin, zurufen?
  • Was wünschen ich mir: An welchen Maßstäben will ich mich in meiner jetzigen Situation orientiert haben? Welche Haltungen und Grundüberzeugungen sollen in der konkreten Situation mein Leitfaden gewesen sein?
  • Um dann zu erkunden: Was bedeutet das für mein Leben hier und jetzt?

Das große Halt-Signal

Vom Ende her auf das Jetzt zu schauen, weitet den Blick. Das Wissen um unsere Sterblichkeit kann in einer Entscheidungssituation im doppelten Wortsinn Halt geben: Der Tod konfrontiert uns mit seinem unwiderruflichen und unausweichlichen „Halt!“ An diesem Punkt angelangt werden wir nichts mehr ändern können, was geschehen ist. Um dieses endgültige und harte „Halt!“ zu wissen, hält uns jetzt dazu an, zu fragen, was uns wirklich wichtig ist. Wenn wir das Leben vom Ende her betrachten, vermag uns dies daher auch einen inneren Halt zu geben: Es verleiht Rückgrat, entschieden Nein zu sagen und Grenzen zu ziehen. Oder etwas klar zu bejahen und zu ergreifen, was wir leben wollen.

Hier geht es zur Podcastfolge 13 „Das Leben ist keine Generalprobe“

Trau dich Wolfers

Lesetipp:

Warum scheuen wir uns, Entscheidungen zu treffen? Woher kommt es, dass wir so zögerlich oder gar ängstlich sind? Dass wir uns schwertun, etwas zu wagen?

Wie wir mutig werden und uns trauen, das eigene Leben zu leben – darum geht es in diesem Buch.

Dieses Journal ist ein Auszug aus meinem Buch „Trau dich, es ist dein Leben. Die Kunst, mutig zu sein“, bene! Verlag 4. Auflage 2021, 155.159–161
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